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Handlungsempfehlungen für Unternehmen
So befolgen Sie die Sanktionen: Die internationalen Sanktionen gegen Russland und Belarus sind umfassend. Hier finden Sie Handlungsempfehlungen, um Unternehmensaktivitäten umgehend an die Vorgaben anzupassen.
31.03.2022
Von Edda Wolf | Bonn
Bei Geschäften mit Russland sind zunächst einige Fragen grundsätzlich zu prüfen. Dazu zählen:
- Ist der Geschäftspartner in Russland oder Belarus von den Sanktionen erfasst? Konsultieren Sie dafür die Finanzsanktionsliste der EU sowie - sofern relevant - die SDN-Liste und die Entity List des BIS der USA. (Mehr zur möglichen Anwendbarkeit von US-Sanktionen auf deutsche Unternehmen lesen Sie hier.)
- Ist die Ware, die technische Dienstleistung oder die Finanzdienstleistung von den Sanktionen (Ausfuhrverbote, Dual-Use-Güter) erfasst? Offizielle Informationsquellen für die EU-Sanktionen sind das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und das Servicezentrum Finanzsanktionen der Deutschen Bundesbank sowie für die US-Sanktionen das Bureau für Industry and Security (BIS) des U.S. Department of Commerce und das Office of Foreign Asset Control (OFAC) des U.S. Department of Finance.
Was sollte mein Unternehmen jetzt beachten?
Ist Ihr Unternehmen betroffen, müssen Sie in den folgenden Bereichen aktiv werden.
1. Arbeitsgruppen bilden
Überregionale und interdisziplinäre Arbeitsgruppen sollten Mitarbeiter:innen mindestens aus den Bereichen Finanzen, Lieferkette und Beschaffung, Verkauf und Personal, sowie IT umfassen.
2. Mapping durchführen
Führen Sie ein End-to-End-Mapping aller Prozesse mit Bezug zu Russland und Belarus sowie den "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in allen Bereichen Ihres Unternehmens durch. Konkret heißt das, erstellen Sie eine Prozesslandkarte für alle Geschäfte mit Russland- oder Belarus-Bezug. Diese sollte alle erforderlichen Schritte, um einen Arbeitsablauf im Unternehmen abzuschließen, visuell umreißen (vollständige Darstellung der Unternehmensprozesse). Identifizieren Sie alle Transaktionen mit russischen und belarussischen Unternehmen, staatlichen Stellen und Personen sowie alle Transaktionen in Bezug auf die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk.
3. Transaktionen identifizieren
- Alle sanktionierten Transaktionen (Waren, Dienstleistungen, Zahlungen) mit Russland und Belarus müssen identifiziert und eingestellt werden.
- Auch alle Transaktionen in Bezug auf die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk sind zu beenden.
4. Kunden und Lieferanten
- Prüfen Sie, ob Geschäftspartner in Russland oder Belarus von den Sanktionen erfasst sind. Beenden Sie alle Geschäfte mit diesen Personen und/oder Unternehmen.
- Hilfreich dafür, aber nicht rechtlich verbindlich, sind die Finanzsanktionsliste der EU sowie die SDN-Liste und die Entity List des BIS der USA.
5. Produkte
- Befinden sich mit Ausfuhrverboten belegte Güter oder Dual-Use-Güter darunter? (zur Beachtung: stark ausgeweitete Listen von Gütern und Endnutzern - siehe BAFA und ggfs. BIS)
- Exportklassifizierungs- und Exportkontrollregeln beachten
- Woher kommen Verbrauchsmaterialien und kritische Komponenten?
6. Verträge
- Prüfen Sie, welche Flexibilität zur Auflösung oder Neuverhandlung Ihre bestehenden Verträge bieten.
- Informieren Sie sich über Abwicklungsfristen (Wind Down Periods) und Ausnahmen (General Licences) der einzelnen Sanktionen.
Falls Sie eine bestimmte Ausnahmegenehmigung (individual license) beantragen müssen, lassen Sie sich vorher anwaltlich beraten; erwägen Sie einen branchenweiten Ansatz (industry license).
7. Zahlungsverkehr
Angesichts des SWIFT-Ausschlusses von sieben russischen Banken und drei belarussischen Banken ist wichtig:
- Alle Geschäftsbeziehungen zu sanktionierten Banken identifizieren und alle Transfers einstellen.
- Wenn nicht sanktionierte Lieferanten und Kunden Konten transferieren, die neuen Kontoverbindungen notieren und in den Verträgen entsprechend ändern.
- Beachten Sie, dass Mastercard und Visa ihren Kreditkartenservice in Russland und Belarus eingestellt haben. Gleiches gilt für Western Union Money Transfer, ApplePay, GooglePay und PayPal.
8. Personal
- Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen alle Sanktionen befolgt und Ihr Personal und Ihre Aktivitäten keinem Risiko ausgesetzt sind! Schulen Sie Ihr Personal im Bereich Exportkontrolle. Kommunizieren Sie umsichtig nach innen und außen.
- Wie umfassend sind die Mitarbeiter, insbesondere die leitenden Manager, versichert? Haben diese Versicherungen Ausschlussklauseln für öffentliche Unruhen, das Notstandsrecht (gilt seit Kriegsbeginn in den fünf südlichen Regionen Russlands) oder das Kriegsrecht (Ukraine)?
- Prüfen Sie, ob Topmanager Ihres Unternehmens das Ziel von russischen Revenge-Sanctions werden könnten. Aktuell sind vier Straftatbestände bekannt, mit denen Manager von Tochterunternehmen aus "unfreundlichen Staaten" in Russland bedroht werden (1. Einhaltung westlicher Sanktionen zum Schaden russischer Bürger, Unternehmen oder des Staates; 2. Verstöße gegen das neue Mediengesetz; 3. vorsätzliche Insolvenz (Scheininsolvenz); 4. Gefährdung der nationalen Sicherheit der Russischen Föderation).
9. IT
- Führen Sie eine Bestandsaufnahme von Hard- und Software in der Firmenzentrale und in ihren Niederlassungen in der Ukraine, Russland und Belarus durch.
- Wird Software oder Mass Market Encryption von russischen oder belarussischen Unternehmen eingesetzt? Diese fällt unter die Sanktionen.
- Woher werden künftig die Updates für Software kommen? Viele Entwicklerteams müssen in der Ukraine wegen des Kriegs und in Russland wegen der Sanktionen ihre Arbeit einstellen. Deshalb können auch Updates für Software, die in deutschen Unternehmen eingesetzt wird, ausbleiben. Namhafte Softwareentwickler wie Microsoft, Apple, Oracle, SAP, Adobe, AutoDesk und Nvidia haben ihre Tätigkeit in Russland eingestellt. Nach Presseangaben haben zudem zwischen 50.000 und 70.000 russische IT-Spezialisten ihr Land verlassen, weil sie mit dem Krieg nicht einverstanden sind und nicht in die russische Armee eingezogen werden wollen.
Link zum Crisis Consulting Service der AHK Russland